DER ABENDLICHE SCHMAUS
Friedrich von Hardenberg (Novalis)
Kennt ihr den traubichten Berg, der über Mattwerben sich hinbeugt?
Und das ländliche Häuschen mit seinem grünlichen Weinstrauch?
Ihn durchscbneiden krummende Gäng` und hohe Terrassen,
Die mit balsamischem Wein in der Lese die Kufen uns füllen.
Hier sind Schattenalleen von früchtetragenden Baumen,
Unter denen sich üppiges Gras zum Lager uns anbeut;
Auch umschatten ihn oben Plantagen von Pflaumen und Kirschen
Und ein reizendes Büschchen von hellgrün schimmernden Birken.
Hierher wanderte jüngst am Freitag groBe Gesellschaft,
Mädchen, betagte Matronen und bärtige Männer und Kerlchen
Meines Gelichters: doch hört, erst will ich euch alle beschreiben.
Vorn war ich mit der Jugend: ihr kennt mich mit fliegenden Haaren
Und im bläulichen Rock mit groBen strahlenden Knöpfen;
Sieh, ich führte Luisen mit funkelnden bläulichen Augen
Und so kerzengerade und schlank wie die duftende Maie.
Goldene Locken umschwebten das Mädchen in hüpfendem Fluge,
Und ungeduldig hob der knospende Busen das Flortuch.
Leicht wie ein Nebel des Morgens im Frühling schwebte sie fröhlich
Mit hochrosiger Wang und in himmelbläulichem Kleide.
Hinter uns drein kam Wilhelm mit seinem feurigen Mädel,
Schwarz von Augen und Haar und mit kleinen silbernen FüBchen.
Rosige Seide umschlang ihr wallendes Leibchen, und schüchtern
Blickte der Busen errötend aus seinem zu engen Gefängnis.
Aber siehe, mir wird die Zeit bei dem Schildem zu lange,
Da ich mein wertes Ich und mein liebliches Mädchen beschrieben.
Drum nur kurz: es waren noch viele süB lachende Mädel
Und auch lustige Burschen bei uns und schleichende Alte.
Ganz zuletzt noch ging ein Freund, den ihr alle wohl kennet,
Serverin; mit dem schwedischen Kopf und dem rundlichen Bäuchlein,
Voller lustiger Laune und deutschen, biederen Herzens.
Einen Pokal hielt er in der Rechten zum künftigen Schmause.