Der Schießstand
von Fred Knauth (verstorben Oktober 2011)
Üb Aug´ und Hand fürs Vaterland
Erinnerungen an den Markwerbener Schießstand
Überall in den Kreisen gab es schon im Mittelalter Schützenvereine. Dort mussten alle ehrbaren Bürger an Schießübungen teilnehmen, um im Gefahrenfall verteidigungsbereit zu sein. Es gab kaum eine Stadt oder ein Dorf, wo kein Schießstand gebaut wurde oder im Gelände geübt wurde. Vom Staat hat man dies gefördert und die Gemeinden finanzierten diese Anlagen. Auch in unserer Gemeinde hat man an der Rodelbahn eine solche Anlage gebaut. Unter Anleitung des damaligen Kriegervereins haben die Mitglieder eine Schlucht ausgeholzt, die Sohle geebnet und einen Graben zur Wasserableitung ausgehoben. Am hinteren Hang hat man einen Bunker gebaut, von dem man eine Seilzuganlage zum Scheibenwechsel bedienen konnte. Heute wäre es unvorstellbar, auf einer solchen Anlage zu schießen. Es gab keine Absperrung bzw. Umzäunung und keine Hochblenden. Im Bunker war ein so genannter Zieler zur Schussauswertung eingesetzt, die Schießergebnisse wurden nach vorn gerufen und mit einer Kelle angezeigt. Kam das Kommando „Feuer einstellen!“ wurde auf dem Bunker eine rote Fahne gesetzt und die Schützen am Stand mussten ihre Waffen entladen und mit geöffneter Kammer ablegen. Mit Kleinkaliberwaffen schoss man auf eine Entfernung von 50 Metern und beim Schießen mit großem Kaliber waren 100 Meter vorgeschrieben. Regelmäßig übten die Veteranen des 1. Weltkrieges, also der dem „Kyffhäuserverbund“ angehörenden Kriegervereine. Es war immer wieder erstaunlich, mit welcher Begeisterung die alten Herren dabei waren. Alle Not und alle Entbehrungen des Krieges waren vergessen und jedes mal wurden die Kriegserlebnisse erzählt. Interessierte junge Männer waren gern gesehene Gäste.
Wettkämpfe und Preisschießen hat man regelmäßig durchgeführt. An diesen Tagen brachte der Wirt mit dem Handwagen ein Faß Bier und es wurde kräftig zugelangt. Die Gläser wurden in einer Wasserschüssel ausgespült. An den verschiedensten Feiertagen wurde geschossen, so auch bei den Kinderfesten auf dem Anger, allerdings nur mit Luftgewehren. Die größeren Schuljungen schossen mit der Armbrust nach einem Holzadler. Die Siegestrophäen wurden an das Stall- oder Scheunentor genagelt. Sogar im Garten der Gaststätte Ritter hat man mit Kleinkalibergewehren geschossen, heute unvorstellbar.
Während des 2. Weltkrieges konnte wegen Sparmaßnahmen und wegen Munitionsmangel kaum noch vom Kriegerverein geschossen werden. Dafür waren die Soldaten der in Markwerben stationierten Militäreinheit ständiger Gast auf dem Schießstand. Die Soldaten hat man hier im Schießen ausgebildet. Mit Pistolen, Karabinern und sogar mit Maschinengewehren wurde geschossen. Im letzten Kriegsjahr traf sich hier auf dem Schießstand ein bunter Haufen, der Volkssturm. Unter dem Kommando des Rittergutsbesitzers von Storkau mussten Schießübungen durchgeführt werden. Männer, die noch keine militärische Ausbildung hatten, wurden über die Handhabung von Waffen informiert. Bürger, die private Waffen besaßen, konnten diese auch einsetzen. Der Volkssturm ist in unserem Gebiet zum Glück nicht zum Einsatz gekommen. Nur zwei Markwerbener wollten den bereits verlorenen Krieg noch gewinnen und schossen auf die anrückenden Amerikaner.
Unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner haben diese die Schusswaffen eingesammelt oder gleich zerstört. Privater Waffenbesitz war illegal und daher strafbar. Besonders nach dem eintreffen der Roten Armee und nach der Gründung der DDR wurde illegaler Waffenbesitz sehr streng bestraft. Es ist heute übrigens immer noch so. Etwa 1955 versuchten einige Markwerbener Jäger, den Schießbetrieb wieder aufzunehmen. Es wurde eine Hochblende aufgestellt. Eine offizielle Freigabe für den Schießstand hat es jedoch nicht gegeben. Sicherheitsvorkehrungen waren noch immer nicht vorhanden und der Geräuschpegel war bei den nebenan inzwischen gebauten Häusern zu groß. Ein Teil der Markwerbener Tradition ist Vergangenheit und nicht wieder zurückzubringen. Nach dem letzten Krieg schworen viele Menschen, nie wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen. Wie sieht es heute mit diesem Schwur aus? Wieder sind deutsche Soldaten im Ausland eingesetzt und viele Menschen geben dazu ihre Zustimmung. Leider. Sportliches Schießen wird nach der Wende in einigen Gemeinden wieder durchgeführt. Aus Sicherheitsgründen und wegen der Bebauung in der Nähe ist dies in Markwerben jedoch nicht möglich. Mit der Vorbereitung auf den Kriegsdienst und mit dem Töten hat der Schießsport heute nichts mehr zu tun. Hier ist die Waffe ein Sportgerät wie der Tennisschläger, der Ball oder der Speer oder das Fahrrad. Disziplin und Ordnung sind die Grundvoraussetzungen für diese Sportart. Töten kann man auch mit anderen Geräten.
Scheibenstand, erbaut 1927, Zustand 2012,
Hohle, die Hohle ist heute kaum mehr zu erkennen. Die Natur hat sich die alles "zurückerobert". An der linken Bildhälfte ging es in die Schießhohle rein.
Anmerkung 2012, Der Scheibenstand (Bunker) wurde 1927 erbaut.