Alte Tradition wird neu belebt. Sonnenwendfeier in Markwerben
von Mike Sachse
Am 22.Juni 2013 lud der Verein Turmfalken-Markwerben e. V. zum Sonnenwendfeuer bzw. zur Mittsommernacht ein. Mehrere Jahrzehnte war diese alte Tradition nicht mehr gepflegt worden. Aber bis Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre war die Sonnenwendfeier fester Bestandteil des dörflichen Lebens in Markwerben und wurde regelmäßig begangen, wie in einem Beitrag der Tageszeitung „Freiheit“ von Siegfried Wolters aus dem Jahre 1967 nachzulesen ist.
„Am 23. Juni 1967 – Johannistag; 21 Uhr auf dem Nördlichen Saalerandberg – neben der Markwerbener Warte.
Einige der getroffenen Vorbereitungen:
- Der mannshohe Sonnenwendfeuer-Holzstoß wurde neben dem Granitfindling auf dem Hügel des Markwerbener Aussichtsturmes aufgerichtet.
- Mit ihren Pionieren der 2. Klasse übte die Lehrerin Fast unter Akkordeonbegleitung Lieder zur Sonnenwende ein.
- „Unser Kanter Buchwald“ (wie die Markwerbener nach altem Brauch liebevoll zu ihrem Direktor sagen) bereitet sich gedanklich gut auf seine Rede am Flammenstoß vor.
Sonnenwendfeier
21 Uhr- dunkler Abendhimmel. Im Norden glühen Flammen am Weg parallel zur Roßbacher Straße auf. Sie kommen von der Firne geschwind näher .Drei junge Markwerbener Fackelträger der BSG Aufbau Weißenfels laufen mit ihren lodernden Rechfackeln den Feldgrasweg von der Busch-Baum-Hohle „Rosenbusch“ heran zur Markwerbender Warte, heran zum Aussichtsturm auf dem hohen Hügelgrab an der Saalerandhöhe. Der neben dem Granitfindling aufgeschichtete Holzstoß wird in Brand gesetzt. Knisternd entzünden die Fackeln das trockene Holz. Seine prasselnden Flammen leuchten hell und weit-hinunter nach Markwerben und Weißenfels- und bis hinüber nach Beuditz, „Schöne Aussicht“, Uichteritz, Lobitzsch, Gosek und Leißling. Sie künden den Mitbewohnern, Spaziergängern wie Autofahrern, rundum (wie zu uns die Worte Lehrer Buchwalds am Flammenstoß): Sommersonnenwende ist heute! Hochsommeranfang zeigt sich. Das letzte Getreide und die ersten Linden blühen. Die Sonne hat- als die Erde ständig mit ihren Lebensstrahlen versorgender Feuerball- bei uns in Europa ihren höchsten Stand erreicht. Auf den Feldern ist die diesjährige hoffentlich reichte Ernte im Gedeihen und kündet von reger LPG- Arbeit. Am Sonnabend und Sonntag werden Sportwettkämpfe zur sportlichen Aktivierung und damit als zusätzlicher Beitrag zur Gesunderhaltung durch viele Markwerbener ausgetragen. Sie stehen unter der Leitung der BSG Aufbau Weißenfels, Sektion Fußball. Abends wird dann fröhlich auf dem Sportlerball getanzt. Sonnenwende ist ein Freudenfest. Die züngelnden Flammen lassen uns gebändigte, lebensspendende Wärme wie die der Sonne spüren. Diese Worte Direktor Buchwalds am Sonnenwendfeuer werden vom Chor der 2. Klasse unter Akkordeonbegleitung seiner Lehrerin Fast umrahmt. Bei dem selbstbewussten, freien Singen dieser unserer jungen Markwerbener „Kulturschaffenden“ hoch oben von Flammenhügel fühlt jeder Gast: Unsere Jüngsten sind mit dem Herzen dabei. Alt und Jung schart sich um Hügel und Turm. Auf Birkenbaum und Findling, auf Wartturm und Fliederbusch, auf Maulbeerbaum und junge Sänger und Sonnenwendsprecher fällt der helle Widerschein des gelbrot lodernden Sommersonnenwendfeuers.
Um 21.40 Uhr steigen Opas, Mütter, Kinder und Enkel gedankenvoll oder gesprächig im ersten Dunkel der Hochsommernacht wieder hinunter in ihr Markwerben- mancher Fast bis zu Dennhardts Haus im Ostern oder jener zu den Häusern an der Salpeterhütte weit im Westen. Die unten in Markwerben Gebliebenen sahen oben am Berg das lodernde Feuer und hörten den jubelnden Kinderchor: „Sommersonnenwend´ feiern wir heut´! – Zur Sommersonnenwende 1968 werden bei klarer, warmer Hochsommernacht oben am Feuer und Markwerbener Aussichtsturm noch mehr dabei sein.“
Traditionell wird in der Nacht vom 23. Juni zum 24. Juni das Johannisfeuer entfacht. Am 24. Juni ist dann der Johannistag, der in enger Verbindung zur am 21. Juni stattfindenden Sommersonnenwende steht. In der heutigen Zeit werden die beiden Feste meistens auf ein Wochenende zusammengelegt und je nach Region unterschiedlich gefeiert. Im damals heidnischen Mitteleuropa, bei den Kelten und Germanen, war die Sonnenwende ein Höhepunkt im Jahresablauf – und Anlass für Feste zu Ehren der Fruchtbarkeit. Der Tag galt im Volksglauben später als sagenumwoben und geheimnisumwittert. Im weiteren Verlauf wurde dann ein heiteres Volksfest daraus - im Mittelpunkt standen häufig Feuer und Wasser. Nach der Christianisierung versuchte die katholische Kirche, die heidnische Sonnenwend-Tradition abzuschaffen. Da alle Versuche scheiterten, legte die Kirche schließlich den Gedenktag auf dem 24. Juni der Geburt Johannes des Täufers. Zahlreiche Bräuche wurden übernommen und weiterentwickelt. Das Johannisfeuer ist seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar und trat seit dem 14. Jahrhundert immer häufiger in Erscheinung. Am Abend der Johannisnacht brannten auf dem Dorfplatz oder auf Anhöhen die Johannisfeuer. Das Feuer steht hier als Symbol für die Sonne, wie auch zur Sonnenwende am 21. Juni und wird deshalb ebenso als Sonnenfeuer bzw. Sonnenwendfeuer bezeichnet.
Zu Tradition gehörte es, dass Liebespaare gemeinsam über das Johannisfeuer sprangen, damit ihre Liebe weiterhin glücklich verläuft. Kränze aus Beifuß wurden in das Feuer geworfen, um somit Krankheiten für das folgende Jahr fern zu halten. Auch sollte das Johannisfeuer böse Dämonen, Hagelschäden und Krankheiten abwehren. Das gleiche galt für die Johanniskränze, die man aus siebenerlei oder neunerlei Kräutern und Pflanzen, wie Bärlapp, Beifuß, Eichenlaub, Farnkraut, Johanniskraut, Klatschmohn, Kornblumen. Lilien, Rittersporn und Rosen flocht. Die Kränze wurden über die Türen, Fenster oder an das Haus gehängt, um so vor Geistern, Dämonen, Krankheiten und Feuer zu schützen. In Mitteldeutschland warf man den Kranz über das Haus, damit der Segen wirkte.
Die weitläufige Verbreitung des Johannisfeuers im Mittelalter machte auch vor der Namensgebung nicht halt. So waren die Namen Hans, Johannes oder Jan weit verbreitet. Auch Pflanzen und Tiere sind nach diesem Tag benannt, wie das Johanniskraut, die Johannisbeere oder der Johanniskäfer, der heute mehr als Glühwürmchen bekannt ist und seine Leuchtkraft in der Zeit rund um den Johannistag entfaltet. Gleichzeitig war der Johannistag ein feststehender Tag im Kalender, der nach altem Glauben Vorhersagen über die Wetterverhältnisse der folgenden Wochen und Monate ermöglichen sollte. So zum Beispiel über die Ernte. Dazu gibt es eine Vielzahl an Bauernregeln, von denen einige hier benannt werden sollen.
„Vor dem Johannistag man Gerst und Hafer nicht loben mag.“
„Wenn die Glühwürmchen glänzen, darfst Du richten Deine Sensen.“
Wenn die Nacht zu längen beginnt, dann die Hitze am meisten zunimmt
Vor Johanni(24. Juni) bitt` um Regen, nachher kommt er ungelegen
Regnet´s am Johannistag (24.Juni), so regnet´s noch vierzehn Tag.
An Johanni trocken und warm, das macht keinen Bauern arm.
Bis an Johannis wird gepflanzt ein Datum, das du dir merken kannst
Vor Johanni kann das Land erweichen nachher reicht's, wenn alte Weiber kreischen
Nach der Sonnenwend' gib acht, da wächst das Getreide auch in der Nacht.
Man sieht an diesen Bauernregeln, dass der Johannistag für die Landwirtschaft eine wichtige Bedeutung hatte. So wird auch bis zu diesem Tag der Rhabarber und der Spargel geerntet. Auch die Futtergräser sind um diese Zeit reif und die Reifeperiode des Sommergetreides und von andere Nutzpflanzen beginnt. Der Johannistag gilt an den Küsten Norddeutschlands und in den Alpen, als spätester Termin für die Heuernte. Der Begriff Johannisschnitt wurde geprägt. Die späte Heuernte prägte die Artenvielfalt unserer Wiesenpflanzen, da den Gräsern genug Zeit gelassen wurde auszusamen. Für viele bodenbrütende Vögel und zahlreiche Insekten brachte die späte Mahd ebenfalls Vorteile, da sie ausreichend Zeit zum Vermehren hatten.
Die Industrialisierung der Landwirtschaft verschob die Heuernte immer weiter nach vorn. Heute wird der Johannisschnitt meist nur noch im Naturschutz angewandt, um so naturnahe Wiesen zu erhalten.
Im Obstbau spielt der Termin ebenso eine Rolle. Der Johannistrieb ist der zweite Austrieb von Laubgehölzen und zu diesem Zeitpunkt können noch einmal Schnittmaßnahmen durgeführt werden.
Nach diesem kurzen Ausflug in die Geschichte des Johannistages soll weiter über die Feier berichtet werden: Rund 100 Gäste nahmen das Angebot zum Sonnenwendfeuer an und feierten bis spät in die Nacht. Unter den Gästen befand sich auch Horst Hajek, der an dem Tag seinen 74. Geburtstag feierte. Er ließ es sich nicht nehmen, mit seinem Sohn Andreas und dessen Familie zeitweilig an der Veranstaltung teilzunehmen. Wie in dem Beitrag von Siegfried Wolters erwähnt, sangen im Jahr 1967 zur Unterhaltung die Pioniere der 2. Klasse mit ihrer Lehrerin Frau Fast Lieder zur Sonnenwende. Nun, 46 Jahre später, ist Frau Fast ebenfalls wieder anwesend, doch diesmal als Zuschauer. Denn nun singt ihre Tochter Silke Lehmann, die ebenfalls den Beruf einer Lehrerin ergriffen hat, mit Schulkindern Sonnenwendlieder. Eine schöne Familientradition. Gegen 20.00 Uhr wurde der vorbereitete Holzstapel angezündet und bis Mitternacht loderte das Feuer.
Ein großer Dank geht an die Freiwillige Feuerwehr Markwerben und den Ortsbürgermeister Günther Fabig, die das Fest unterstützten, sowie den Geiseltalverein, der für die Verpflegung und die musikalische Umrahmung sorgte.
Zum Abschluss noch ein kleines Gedicht von Hoffmann von Fallersleben.
Johanniswürmchen
Autor: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Was tanzen so goldige Sternchen
Umher in funkelnder Pracht?
Sind Käfer mit ihren Laternchen,
Die fliegen spazieren bei Nacht.
Wenn einer begegnet dem andern,
Dann grüßen sie sich, wie man tut,
Erzählen sich was und wandern
Dann weiter wohlgemut.
Und kehrt der Morgen wieder,
Sucht Jeder eilig sein Haus,
Doch eh‘ er sich leget nieder,
Löscht er sein Laternchen aus.
Rene Scholz, Silke Fast und Renate Fast
Sonnenwendfeuerimpressionen