Der Tag der Befreiung von Weißenfels
von Fred Knauth (verstorben Oktober 2011)
Nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht und dem Zusammenbruch der Naziherrschaft wurden in allen Städten Gedenksteine und Mahnmale für die Kriegs- und Naziopfer errichtet. So auch in Weißenfels. Im Stadtpark steht das Mahnmal für die Opfer des Faschismus, auf dem Friedhof die Gedenksteine für die jüdischen Opfer und die in Weißenfels verstorbenen ausländischen Zwangsarbeiter. Weiterhin wurde ein Friedhof für die Soldaten der Roten Armee errichtet. Keiner der bestatteten Soldaten ist in der Stadt oder im Kreisgebiet bei Kampfhandlungen gefallen. Die Todesursachen für diese Soldaten sind nicht bekannt.Nach der deutschen Wiedervereinigung hat man in vielen Ortschaften auch Gedenktafeln oder -steine für die gefallenen deutschen Soldaten errichtet. Als mustergültig möchte ich hier den Gedenkstein auf dem Friedhof in Uichteritz erwähnen.In der DDR hat man bei den Gedenkveranstaltungen zum Tag der Befreiung stets nur an die Soldaten der Roten Armee gedacht. Die tatsächlichen Befreier von Weißenfels waren jedoch nicht die sowjetischen Soldaten, diese kamen erst Wochen nach der tatsächlichen Befreiung.Ich möchte hier als Zeitzeuge meine persönlichen Erlebnisse über die tatsächliche Befreiung von Weißenfels schildern.Die Bevölkerung in Deutschland merkte immer deutlicher, dass der Krieg verloren ging. Nur wenige glaubten noch an einen Endsieg und an die versprochenen Wunderwaffen. Hoffnungslosigkeit und Angst war überall zu spüren. Die Bombenangriffe wurden immer heftiger und die Meldungen in den Zeitungen und im Radio trotz der Nazipropaganda immer trostloser. Nachdem amerikanische Truppen bereits auf deutschem Boden waren, wurde das Sirenensignal „Panzeralarm“ eingeführt.
Am 12. April 1945 war am frühen Vormittag Fliegeralarm und unmittelbar danach Panzeralarm. Es wurde angenommen, dass an der Spitze der Amerikaner Panzer fahren würden. Wir Jugendliche standen bei uns in Markwerben auf der Straße und sahen die letzten Wehrmachtsfahrzeuge durch das Dorf fahren. Ein Auto hielt an und ein Soldat rief uns zu, wir sollten sofort verschwinden, hinter ihnen kämen die Amis. Wir glaubten in unserer Unwissenheit, die Panzer könnte man rechtzeitig am Motorenlärm und dem Kettengerassel hören und wir könnten rechtzeitig verschwinden. Es kam wieder eine Fahrzeugkolonne aus Richtung Uichteritz in unser Dorf und jemand rief: „Die hauen wieder ab!“. Die Fahrzeuge stoppten genau vor uns und erst jetzt sahen wir die Bescherung, es waren Amerikaner. An dem großen weißen Stern auf den Autos und den fremden Uniformen erkannten wir unseren Irrtum. Vom ersten Auto her fragte uns ein Offizier, was hier los sei. Wir sollten sofort von der Straße verschwinden. Nun rollte Fahrzeug um Fahrzeug durch das Dorf in Richtung Weißenfels. Plötzlich hörten wir MG- und Gewehrfeuer und die Kolonne stoppte. Vom Ortseingang von Weißenfels, am Heuweg bis zum Mühlberg, hatten einige Volkssturmmänner versucht, die Amerikaner aufzuhalten. Dies gelang ihnen nur kurze Zeit, die meisten von ihnen kamen ums Leben. Der Angriff stockte und bei uns in Markwerben stand die Straße voller amerikanischer Autos. Die Bürger hängten weiße Tücher aus den Fenstern und kamen dann zaghaft aus ihren Häusern. Die Soldaten warfen Zigaretten und Schokolade aus ihren Autos, die Leute sammelten diese Dinge auf. Einige Soldaten hatten ihren Spaß daran, brennende Zigarettenkippen den Männern vor die Füße zu werfen. Diese wurden auch aufgesammelt. Der Gastwirt brachte Bier und die Soldaten fotografierten sich mit den Bürgern. Plötzlich ertönten Kommandos und es begann eine wilde Schießerei. Zwei Markwerbener Nazis versuchten den Krieg noch zu gewinnen und schossen vom Aussichtsturm her auf die Amerikaner. Die Leute rannten auseinander und von Weißenfels her hörte man noch vereinzelte Schüsse. Am nächsten Morgen überquerten die Amerikaner etwa dort, wo sich heute der Globus-Baumarkt befindet, aus der Papierfabrik heraus die Saale und über die Schleuse kamen sie nach Beuditz. Noch am gleichen Tage wurden die Vorbereitungen getroffen, in der Nähe der Markwerbener Fähre eine Behelfsbrücke zu bauen. Die Fahrzeugkolonnen fuhren nun von Markwerben bis zur Robinsoninsel und in Richtung Marienmühle nach dieser Brücke und von dort aus nach Beuditz.
2005 wurde eine Gedenkplatte für die Opfer beider Seiten, im Turmdurchgang des Schlosses Neu-Augustusburg angebracht.
Fred Knauth
Rodelbahn 19
06667 Markwerben
im März 2003