Der Markwerbener Verschönerungsverein
Mike Sachse (2015)
Im Frühjahr1886 gründeten ein paar tatkräftige Männer den Verschönerungsverein in der Absicht, „für die Verschönerung der Gemeinde Markwerben und deren Umgebung zu wirken“, wie Jahrzehnte später in der Zeitung steht. Die Gründungsziele waren damit klar umrissen. Das Dorf interessanter und attraktiver zu gestalten und das nicht nur für die einheimische Bevölkerung, sondern auch für Spaziergänger aus dem benachbarten Weißenfels. Leider konnte in dem Weißenfelser Kreisblatt kein Hinweis auf das genaue Gründungsdatum und die Gründungsmitglieder gefunden werden. Interessanterweise ist aber das Kassenbuch erhalten geblieben, welches eine hervorragende zeitgenössische Quelle darstellt. Die Aufzeichnungen fangen nicht im Gründungsjahr an, sondern erst im Jahre 1898. Das Kassenbuch wurde dem Verein durch den damaligen Besitzer des Restaurants „Zum deutschen Kaiser“ Moritz Weilepp (der auch Vereinsmitglied war) „In dankbarer Anerkennung seiner gemeinnützigen Bestrebungen und in besonderer Hochachtung seiner eifrigen Wirksamkeit“ gestiftet. Die erste Eintragung listet 28 Mitglieder auf. Bekannte Namen wie Friedrich Berger, Albert Dose oder Pastor Richter sind verzeichnet, aber auch alteingesessene Landwirtsfamilien wie Frey, Geißler, Winter, Schlag, Lange und Lehmann waren dem Verein beigetreten.
Der Mitgliedsbeitrag betrug 1 Mark pro Jahr und wurde, außer in den Inflationsjahren 1922/23, immer beibehalten. Während dieser beiden Jahre stieg der Beitrag auf 100 Mark an. Am Ende des Jahres 1923 betrug der Kassenstand 500.000.047.645,87 Mark. Nach der Währungsunion im November 1923 wurde im Mai 1924 eine neue Abrechnung durchgeführt. Nun war der Kassenstand auf 52 Pfennige geschrumpft.
Der Verein kümmerte sich in den ersten Jahren hauptsächlich um die Pflege des Kriegerdenkmals und des alten Friedhofes an der Kirche. Zeitgleich begann man mit der Anpflanzung von Birken- und Nadelbaumschonungen. Jedes Jahr wurde für den Ankauf von Setzlingen eine bestimmte Summe ausgegeben. Spätestens ab 1903 konnten dann Einnahmen durch den Verkauf von Pfingstmaien und Birkenreißig verbucht werden. Diese wurden nicht nur an die einheimischen Vereine oder an Anwohner, sondern auch in die umliegenden Dörfer verkauft. Mit der Anpflanzung der Bäume im Parkbereich bis zum heutigen Sportplatz begann man noch vor 1900. Denn in der Jahreshauptversammlung 1901 wurde darauf hingewiesen, dass die Bäume und Sträucher gut gewachsen sind und zum „Schmuck unserer heimatlichen Gefilde“ beitragen. Aber auch von mutwilligen Zerstörungen wird berichtet, „die sich leider nicht verringert haben“. Interessant ist auch der Hinweis „die Sympathien für den Verein haben sich erhöht…“. So müssen sich doch einige Einwohner in der Vergangenheit skeptisch gegenüber dem Verein geäußert haben.
Im Laufe der nächsten Jahre wurden weitere Anpflanzungen im heutigen Parkbereich vorgenommen, gleichzeitig wurden Wege angelegt und Bänke aufgestellt. Zum Teil sind noch heute die Seitenteile der Parkbänke erhalten, die aus Sandstein gefertigt wurden.
1911 feierte der Verschönerungsverein sein 25jähriges Bestehen, was man auch mit einen großen Fest beging. Dass der Verein bis dahin Großes geleistet hatte bezeugt ein Artikel im Weißenfelser Tageblatt vom 22. Februar 1911 in dem unter anderen berichtet wurde: „Der Erfolg des Wirkens kann jeder Spaziergänger, der über unsere Höhen wandert, wahrnehmen. Herzerfreuend sind die Nordhänge mit dem Grün der Tannen und Birken anzuschauen. Aber auch große Ausdauer hat dazu gehört, die vollkommen unfruchtbaren Hänge mit Erfolg zu bepflanzen“. Die bis dahin 58 Mitglieder hatten harte Arbeit geleistet. Denn die Pflege war beschwerlich, musste doch das Wasser zum Gießen erst auf die Hänge transportiert werden. Eine Arbeit, die gut organisiert werden musste. Für dieses Areal tauchte wohl zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bezeichnung „Markwerbener Schweiz“ auf, die sich für das Jahr 1913 erstmals schriftlich nachweisen lässt. Ob die Erfindung der „Markwerbener Schweiz“ vom Verschönerungsverein stammt, ist nicht bekannt, jedoch zu vermuten. Eventuell könnte es auch eine Erfindung eines einheimischen Gastwirtes gewesen sein, der damit mehr Ausflugsgäste in sein Lokal locken wollte. Der Name war für ein Naherholungsgebiet optimal gewählt, machte er doch auf die „Markwerbener Schweiz“ neugierig. Gerade für die Weißenfelser war ein Sonntagsspaziergang zur „Markwerbener Schweiz“ oder zum Aussichtsturm wie geschaffen. Nach einem„halbstündigen Spaziergang hatte man von der Höhe einen wunderbaren Blick auf das Saaletal, man konnte Weißenfels und Markwerben von oben betrachten. Bei guter Sicht sah und sieht man den „Dicken Wilhelm“ der Neuenburg in Freyburg. Nicht zu unterschätzen war ein Spaziergang durch die Natur, man konnte die angenehme und frische Luft auf den Anhöhen genießen. Liegt doch Weißenfels im Tal und durch damals vorherrschende Kohleheizung sowie die vielen kleinen Betriebe, die damals ebenfalls ungefiltert die Luft verschmutzten, war die Stadt oft (gerade bei Windstille) in einen Dunstschleier eingehüllt. Die beiden Gaststätten im Ort sowie die damalige „Gambrinusburg“ am Ortsausgang von Weißenfels boten sich für eine Kaffeepause an.
Der Verein kümmerte sich aber nicht nur um die „Markwerbener Schweiz“ sondern auch um das Erscheinungsbild im Ort selbst. Durch seine Initiative bepflanzte man die Hauptstraße mit Lindenbäumen. In der Nähe des Kriegerdenkmals pflanzte man Kastanienbäume und in späteren Jahren bepflanzte man die Uichteritzer Straße ebenfalls mit Lindenbäumen (1938). Leider mussten die Bäume 2008 bei der Neugestaltung des Fußweges weichen. Die Möglichkeit, die Straße im Sinne des Verschönerungsvereins zu gestalten, wurde aber nicht wieder aufgegriffen. Auch den neuen Friedhof und dessen Umland bezog man in die Pflege ein und pflanzte zahlreiche Bäume. Dadurch ist der Markwerbener Friedhof auch heute noch einer der schönsten Anlage des Landkreises.
Der 1. Weltkrieg (1914-1918) unterbrach die Arbeit des Vereins. Nur das Kriegerdenkmal von 1870/71 wurde noch 1915/16 regelmäßig mit frischen Blumen bepflanzt. Viele männliche Mitglieder mussten in den Krieg ziehen. Das Augenmerk des täglichen Lebens war jetzt anderweitig ausgerichtet. Aber schon 1919 ging man mit neuer Kraft an die Verschönerung des Dorfes. Man begann, die Parkanlage wieder herzurichten, Bäume und Sträucher zu pflanzen und die Wege wieder in Ordnung zu bringen. Dabei wurde die Verpflegung der Helfer nicht vergessen. So gab es 1927 in der Jahresabrechnung eine Position „Für Nordhäuser und Zigarren bei den Wegen reinigen in den Anlagen“. Das belastete die Vereinskasse mit 8 Mark. Auch die Mitgliederzahl stieg kontinuierlich an. Zeitweise hatte der Verein 106 Mitglieder und das bei rund 850 Einwohnern. Man kann sagen, dass aus fast jeder Familie einer im Verein tätig war.
1924 verstarb der langjährige Vorsitzende Albert Dose. Die Familie Dose kam ursprünglich aus Kriechau. Der Vater von Albert Dose heiratete um 1847 Johanna Christiane Kloß aus Markwerben. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor. Johann Gottfried Dose, also der Vater von Albert Dose, zog mit nach Markwerben und engagierte sich relativ schnell im dörflichen Leben. 1871 starb er in Markwerben als angesehenes Mitglied des Gemeinde- und Kirchenrates. Sein Sohn Albert, sein vollständiger Name lautet Johann Friedrich Albert, war das jüngste der Kinder und war beim Tod seines Vaters 14 Jahre alt. Friedrich Albert musste nun noch mehr Verantwortung im Haushalt und in der Landwirtschaft übernehmen. Aber wie sein Vater scheint er ein sehr engagierter junger Mann gewesen sein, der den Beruf eines Landwirtes erlernte und sich auch für die dörflichen Belange interessierte. Seit 1898 war er nachweislich Mitglied und seit 1904 Vorsitzender des Verschönerungsvereins. Da aber das Kassenbuch erst 1898 beginnt, kann davon ausgegangen werden, dass er schon viel früher dem Verein beigetreten war. 1881 heiratete er als 25Jähriger Hanna Schulze aus Markwerben. Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor, wobei drei schon im Säuglings- und Kindesalter verstarben. Besonders schmerzhaft muss für die Eltern der Tod des einzigen Sohnes Friedrich Albert im 1. Weltkrieg gewesen sein. Mit 26 Jahren erlag er am 25.9.1914 seinen Verwundungen im Reserve-Lazarett I (Maria-Hilf) in Aachen. Sein Leichnam wurde nach Markwerben überführt und schon am 2.10. auf dem Friedhof beigesetzt. Nachweislich war der Sohn Mitglied im Markwerbener Turnverein. Die Mutter Hanna Schulze lebte bis zu ihrem Tod 1936 in Markwerben. Zwei Töchter heirateten und zogen vermutlich nach Markröhlitz und Tagewerben. Albert Dose muss ein sehr engagierter und in seiner Art offener Mensch gewesen sein, der es schaffte, den Verein in seiner Tätigkeit als Vorsitzender voranzutreiben. Nicht umsonst reifte schon kurz nach seinem Tod die Idee, ihm ein Denkmal zu setzten. Nach einigen Diskussionen einigte man sich auf einen Gedenkstein, für den man auch einen der besten Standorte auswählte. Von diesem Ort hat man einen der schönsten Ausblicke ins Saaletal. Im Frühjahr 1925 goss man das Fundament für den „Dosegedenkstein“, wie im Kassenbuch verzeichnet ist. Bis Mai stellte man den Findling auf, in den im gleichen Monat der Steinmetz Albert Kretzschmar (Weißenfels) für 30 Mark die Inschrift einmeißelte. Auf Initiative des Vereins „Kulturbanausen“ wurde die Inschrift, die Schrift war fast nicht mehr lesbar, 2009 erneuert. Der Verein übernahm auch die Finanzierung.
1926 beging man das 40jährige Stiftungsfest, an dem alle Markwerbener Vereine und eine Vielzahl an Markwerbenern teilnahmen. In einem Zeitungsartikel vom 28.4. wurde der Verein gewürdigt und ein Teil der Rede des Vorsitzenden soll hier widergegeben werden: „In nie ermüdetem Fleiße sind in dieser Zeit die Anlagen immer weiter um das Dorf herumgelegt und ausgebaut worden. Es sei für den Geist des Ortes ein besonderes, gutes Zeichen, die Nähe des Friedhofes so würdig bepflanzt zu haben. Und lieblich und schön sei alles auf der Höhe „des Berges“ eingerichtet…. Das Rauschen der Bäume, der Nachtigallenschlag, alles das seien ihre guten Wünsche für das weitere Fortleben und Bestehen.“
Der Verein machte sich auch in den nächsten Jahren stark, das Ansehen des Dorfes zu verbessern. Gegenüber dem Gemeindeanger legte man 1932 ein Blumenbeet an, welches mit zwei Tannen und Büschen umgeben war. Als Blickfang setzte man in die Mitte einen Findling, der noch heute vorhanden ist. Aber es gab auch immer wieder Menschen, die die Arbeit nicht honorierten. Es kam zu Vandalismus und Zerstörungen in den Anlagen. Trotz Mahnung, die Natur zu achten, wurden frisch gesetzte Bäume ausgerissen oder abgeknickt, Papier und Unrat in der Parkanlage liegengelassen oder entsorgt.
Am 1. April 1932 erscheint ein weiterer Artikel im Weißenfelser Tageblatt, der hier unkommentiert wiedergegeben wird: „Um die beliebte „Markwerbener Schweiz“ für ihren Ausflugsverkehr noch interessanter zu gestalten, hat der hiesige Verschönerungsverein 200 Stück seltene und seltenste Vögel angekauft. Die wunderbaren Exemplare sollen sich erst an ihre neue Umgebung gewöhnen. Es sind deshalb am „Dosestein“ in den Anlagen große Volieren aufgestellt, die die Bewunderung aller Spaziergänger erregen. Damit die Tierchen in den dazu angebrachten Kästen noch nisten können, soll heute Nachmittag 13 Uhr den Vögeln die Freiheit geschenkt werden. Der Ausflug wird sich bis in die späten Nachmittagsstunden hinziehen und bei allen Naturfreunden aufmerksame Beobachtungen finden.“
Noch 1933 legte der Verein zwei Tannenschonungen in der Nähe des „Dose-Gedenkstein“ und hinter der neuen Schule an und, wie weiter oben schon erwähnt, bepflanzte man die Uichteritzer Straße mit Lindenbäumen. Bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges wird der Verein noch tätig gewesen sein. Zwar ist der letzte Eintrag im Kassenbuch schon 1938 verzeichnet, aber im Einwohner- und Geschäftsbuch des Jahrganges 1941 ist der Verein noch aufgeführt. Rund 60 Jahre hat der Verein existiert, wenn man davon ausgeht, dass der Verein 1945 aufgehört hat zu bestehen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Verschönerungsverein Markwerben stark geprägt hat. Durch das Anlegen der Parkanlage in der „Markwerbener Schweiz“, der Blumenrabatten und die Baumalleen in der Hauptstraße und Uichteritzer Straße wurde dem Ort ein anderes Aussehen gegeben, was zum Teil heute noch sichtbar ist. Nicht zu vergessen die Gestaltung des Friedhofsbereiches. Man hatte ohne die heutigen Erkenntnisse viel für das Mikroklima und gegen die Luftverschmutzung getan. Auch wenn damals die meisten Verschönerungsvereine wegen des aufkommenden Tourismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Durch ein schönes Ortsbild und das Anlegen der Parkanlage in der „Markwerbener Schweiz“ im Zusammenhang mit dem Aussichtsturm versuchte man, Markwerben auch für den Tourismus attraktiv zu machen. Es wird damals nur wenige dörfliche Verschönerungsvereine gegeben haben, die einem Ort so viele positive Impulse gegeben haben.
Wahrscheinlich wurde in den ersten Jahren nach 1945 wenig für die Parkanlage getan. Mit den 50er Jahren wird es die ersten Arbeitseinsetzte durch die Partei- und Massenorganisationen gegeben haben. Mit Beschluss des Rates des Kreises vom 28.10.1964 wurde die Parkanlage (2 ha) unter besonderen gesetzlichen Schutz gestellt und zu einem Geschützten Park erklärt. Seitdem wurde mehr für die Pflege des Parks getan. Auch eine Aufsichtsperson gab es, die darauf achtete, dass nicht so viel zerstört wurde. Bei den Jugendlichen war in den 70er und 80er Jahren Herr Oberländer „gefürchtet“. Er passte auf, dass man nicht mit dem Fahrrad wild durch die Anlage fuhr. 2004 wurde die Parkanlage aus dem Schutzstatus „Geschützter Park“ gelöscht. Trotz alledem wird die Anlage in Ordnung gehalten, Wildwuchs entfernt und die Wege ausgebessert oder erneuert.
Leider sind nach 1989/90 eine Anzahl an Bäumen aus den unterschiedlichsten Gründen aus dem Dorfbild verschwunden.
Zwar gibt es auch Neuanpflanzungen, wie zum Beispiel entlang der Verbindungsstraße zwischen Markwerben und Weißenfels, dem Entwässerungsgraben parallel der Verbindungsstraße und am Weg zum Aussichtsturm, die als positive Beispiele zu nennen sind. Aber viel zu oft werden Bäume leichtfertig geopfert, die bei gutem Willen noch stehen könnten. Gut wäre es, wenn alle Markwerbener die Ursprungsidee des Verschönerungsvereins wieder aufgreifen würden.
Deteil der Parkbank
Die weisse Hohle in der Markwerbener Schweiz 1913
Erhaltene Parkbank, um 1910
Gruppenfoto 1924 in der Markwerbener Schweiz
Mitglieder des Turnvereins am Dosestein, um 1927
Mitglieder des Turnvereins pflanzen einen Kastanienbaum, um 1927
Nachruf auf den Tod Albert Dose vom Verschönerungsverein 15.08.1924
Restaurierter Dosestein 2009
Todesanzeige für den Sohn Albert Dose vom 26-09-1914