Das Vereinswesen in Markwerben
von Mike Sachse (2014)
Dieser Artikel soll einen Überblick über das Vereinswesen in Markwerben geben. Ob alle Vereine ermittelt werden konnten, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht bekannt. Soweit es möglich war, wurde versucht, das Gründungsdatum festzustellen. Bei den meisten Vereinen konnte kein eindeutiges Auflösungsjahr ermittelt werden. Zur Recherche wurden die Adressbücher von Weißenfels und verschiedene Jahrgänge des Weißenfelser Tageblatts durchgesehen. Einige Informationen konnten als Querverweise in Versammlungsprotokollen des Markwerbener Turnvereins und des Verschönerungsvereins gefunden werden.
Schon im späten 18. Jahrhundert schlossen sich immer mehr Menschen mit gleichen Interessen und Denkweise zu „Privatgesellschaften“ zusammen, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Natürlich hatte auch die Geselligkeit in einem Verein einen großen Stellenwert.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts kam es in Deutschland zu vermehrten Gründungen von Vereinen. Waren es zuerst aufklärerisch-gemeinnützige Vereine, folgten bald landwirtschaftliche, Musizier- und Museumsvereine. Dazu kamen später zahlreiche Geselligkeits-, Turn-, Gesangs- und Schützenvereine. Nicht zu vergessen die Bildungs- und Vorsorgevereine, Handwerker- und Wohltätigkeitsvereine. Mehrere Tausend Vereine waren Mitte des 19. Jahrhunderts schon in ganz Deutschland anzutreffen. Beginnend in den Großstädten, gründeten sich recht schnell auch in kleineren Städten und Dorfgemeinden Vereine.
Schon frühzeitig reagierte der Staat auf die Gründungen von Vereinen. Das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 gestand den Bürgern erstmals Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu. Bis heute wird die Regelung von Vereinsgründungen durch besondere Gesetze festgelegt. Gegenwärtig gibt es in Deutschland rund 580.000 registrierte Vereine.
Auch in Markwerben kam es relativ frühzeitig zu einzelnen Vereinsgründungen. 1860 gründete sich ein Gesangsverein, der bis 1941 nachzuweisen ist. Bis 1900 kam es zu sieben weiteren Gründungen, angefangen von einem Kriegerverein, einem Schieß-Club, Turnverein und Radfahrverein. Wie aus dem Vereinsbuch des Verschönerungsvereins, der 1886 gegründet wurden, ersichtlich ist, hatte der Verein in dem ersten Jahrzehnt nur rund 20 bis 25 Mitglieder. Erst nach 1900 stieg die Anzahl der Mitglieder kontinuierlich an. 1922 waren es schon 106 und das bei einer Einwohnerzahl von rund 800 Personen. Es ist anzunehmen, dass die anderen Vereine ab 1900 ebenfalls einen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen hatten. Nach dem jetzigen Stand der Recherchen war der Verschönerungsverein der mitgliedsstärkste Verein in Markwerben. An zweiter Stelle dürfte der Turnverein gewesen sein, der aber am Ende der 20er Jahre/Anfang der 30er Jahre den Verschönerungsverein überholen sollte. Durch die Aufstellung von Sportsektionen innerhalb des Turnvereins, wie Handball, Faustball, Fußball, kamen natürlich weitere Mitglieder dazu. Nun wenige Jahre später gründeten die Sportsektionen selbst Vereine. Ein weiterer großer Verein dürfte der Kriegerverein gewesen sein. Eine Mitgliederzahl von 30 bis 50 dürfte realistisch sein. Allgemein ist zu vermuten, dass einige Einwohner in mehreren Vereinen Mitglied waren.
Zu einem Bruch oder einen Stillstand des Vereinswesens kam es während des 1. Weltkrieges. Da viele männliche Vereinsmitglieder zur Armee eingezogen waren, kam es in den meisten Vereinen zu einer Ruhephase innerhalb des Vereins. So zum Beispiel im Verschönerungsverein, der im März 1914 seine letzte Hauptversammlung durchführte und erst 1919 seine aktive Arbeit wieder aufnahm.
Zu einer grundlegenden Veränderung des Vereinswesens kam es ab 1933. Mit den beiden Gesetzen zur "Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März und vom 7. April 1933 wurde in ganz Deutschland das sogenannte "Führerprinzip" zur Organisationsform für Verwaltungen und Körperschaften erhoben. Durch das Inkrafttreten des Gleichschaltungsgesetzes wurden die Vereine gezwungen, in Einheitsorganisationen einzutreten. Viele Vereine lösten sich daraufhin auf oder wurden schon im Vorfeld verboten. So wurden zum Beispiel alle Sportvereine im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL) integriert, für den am 9. März 1934 die Gründungssitzung stattfand. Am 21. Dezember 1938 kam es zu einer Umbenennung in Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen (NSRL).
Nach dem Kriegsende 1945 kam es zu einer Neugliederung des Vereinswesens. In der DDR wurden die meisten Vereine unter der Obhut von Großbetrieben und Massenorganisationen organisiert. Es gab Betriebsdport-, Kultur-, Foto- und Musikgruppen. Gerade der Sport wurde gefördert, so dass es nicht nur Betriebssportgruppen (BSG), sondern auch Sportgemeinschaften (SG) und Schulsportgemeinschaften (SSG) gab. Nicht zu vergessen der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB) und die Motorsport-Gemeinschaften und Clubs im ADMV.
Das private Vereinswesen war dafür nicht so gern gesehen. Man versuchte, die privaten Vereine oder Gruppen staatlich zu organisieren, was aber nicht immer gelang.
In der DDR trat mit der Einführung des Zivilgesetzbuches der DDR zum 1. Januar 1976 die Verordnung über die Gründung und Tätigkeit von Vereinigungen in Kraft, welche das Vereinswesen regelte.
1990 kam es noch einmal zu einer Neureglung des Vereinswesens nach bundesdeutschen Gesetzen. So mussten bestehende Vereine sich neu gründen und in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts eintragen lassen. Es kam auch zu einigen Neugründungen. Nach dem heutigen Forschungsstand gab es in Markwerben 32 verschiedene Vereine oder Interessengemeinschaften von denen heute noch zehn existieren.
Auszüge aus den Adressbüchern der Stadt Weißenfels 1911-1941
1911
Kriegerverein Vorstand: Hermann Lehmann
Gesangsverein Vorstand: Paul Weiner
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Pastor Richter
Turnverein Vorstand: Gustav Koch
Radfahrerverein Vorstand: Friedrich Schmidt
Rauchklub Vorstand: Friedrich Schmidt
1912
Kriegerverein Vorstand: Hermann Lehmann
Gesangsverein Vorstand: Albin Lange
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Pastor Richter
Turnverein Vorstand: Gustav Koch
Radfahrerverein
Rauchklub Vorstand: Friedrich Schmidt
1913
Kriegerverein Vorstand: Hermann Lehmann
Gesangsverein Vorstand: Albin Lange
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Max Schlag
Turnverein Vorstand: Bernhard Sachse
Radfahrerverein
Rauchklub Vorstand: Friedrich Schmidt
1914
Kriegerverein Vorstand: Hermann Lehmann
Gesangsverein Vorstand: Albin Lange
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Max Schlag
Turnverein Vorstand: Bernhard Sachse
Radfahrerverein
Rauchklub Vorstand: Friedrich Schmidt
1919
Kriegerverein Vorstand: Hermann Lehmann
Gesangsverein Vorstand: Albin Lange
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Max Schlag
Turnverein Vorstand: Bernhard Sachse
Radfahrerverein
1921
Kriegerverein Vorstand: Hermann Lehmann
Gesangsverein „Concordia“ Vorstand: Albin Lange
Kegelklub „Gemütlichkeit“ Vorstand: Kurt Wiebigke
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Max Schlag
Turnverein Vorstand: Bernhard Sachse
Arbeiter-Turnverein Vorstand: Paul Riemeyer
Arbeiter-Radfahrer-Verein Vorstand: Otto Reinhardt
1925
Kriegerverein Vorstand: Oskar Winter
Gesangsverein „Concordia“ Vorstand: Albin Lange
Kegelklub „Gemütlichkeit“ Vorstand: Oskar Schulze
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Max Schlag
Turnverein Vorstand: Bernhard Sachse
Arbeiter-Turnverein Vorstand: Paul Riemeyer
Arbeiter-Radfahrer-Verein Vorstand: Otto Schmidt
Verschönerungsverein Vorstand: Albert Dose
1928
Darlehnskassenverein
Ländl. Spar- und Darlehns-
kasse Markwerben, Storkau
und Obschütz Vorstand: Max Schlag, Reinh. Götze, Paul Weiner
Lehrerverein Markwerben
und Umgebung Vorstand: 1. Hauptlehrer Heilmann, Markwerben
Kriegerverein Vorstand: Oskar Winther
Gesangsverein „Concordia“ Vorstand: Kurt Birkner
Fußballklub Vorstand: Kurt Blanke
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Max Schlag
Turnverein Vorstand: Bernhard Sachse
Arbeiter-Turnverein Vorstand: Paul Riemeyer
Arbeiter-Radfahrer-Verein Vorstand: Hugo Schmidt
Verschönerungsverein Vorstand: Ernst Geißler
1931
Lehrerverein Markwerben
und Umgebung Vorstand: 1. Hauptlehrer Fritz Heilmann, Markwerben
Kriegerverein Vorstand: Oskar Winther
Gesangsverein „Concordia“ Vorstand: Kurt Birkner
Fußballklub Vorstand: Kurt Blanke
Landwirtschaftlicher Verein Vorstand: Helmuth Pollmächer
Turnverein Vorstand: Willy Nagel
Arbeiter-Turnverein Vorstand: Paul Riemeyer
Arbeiter-Radfahrer-Verein Vorstand: Hugo Schmidt
Verschönerungsverein Vorstand: Kurt Birkner
1934
Kriegerverein Vorstand: Oskar Winther
Gesangsverein „Concordia“ Vorstand: Kurt Birkner
Turnverein Vorstand: Hermann Stadelmann
Fußballklub Vorstand: Ernst Rindfleisch
Ortsbauernschaft Vorstand: Hellmuth Pollmächer
Vaterländischer Frauenverein
vom Roten Kreuz Vorstand: Ida Schulze
Kriegsopfer, Ortsgr. Markw. Leiter: Hermann Stadelmann
Verschönerungsverein Vorstand: Kurt Birkner
1937
Darlehnskassenverein
Ländl. Spar- und Darlehns-
kasse Markwerben, Storkau
und Obschütz Vorstand: Alwin Hartung, Rentant Hellmut Pollmächer,
Otto Ebisch
Kriegerverein Vorstand: Erich Frey
Gesangsverein „Concordia“ Vorstand: Kurt Birkner
Turnverein Vorstand: Hermann Stadelmann
Fußballklub Vorstand: Ernst Rindfleisch
Verschönerungsverein Vorstand: Kurt Birkner
Feuerwehr Vorstand: Erich Frey
Kaninchenzüchterverein Vorstand: Fr. Krümmling
1941
NS-Reichskriegerbund Kassierer: Oswald Heimann
Gesangsverein „Concordia“ Vorstand: Kurt Birkner
Turn- und Sportverein
Markwerben Vereinsleiter: Artur Geißler
Verschönerungsverein Vereinsleiter: Kurt Birkner
Feuerwehr Leiter: Erich Frey
Kaninchenzüchterverein Vereinsleiter: J. Baum
Verein |
Gründungsjahr |
|
1 |
Gesangsverein, wahrscheinlich der spätere Gesangsverein „Concordia“, der Name ab 1911 erwähnt |
1860 |
2 |
Kriegerverein, 1933/34 Umbenennung zum NS-Reichskriegerbund |
1869 bis 1945 |
3 |
Schieß-Club Markwerben, siehe auch Nr.17 |
Ab 1885 nachweisbar |
4 |
Gewerkverein Markwerben |
Ab 1885 nachweisbar |
5 |
Verschönerungsverein |
1886 |
6 |
Landwirtschaftlicher Verein |
1887 |
7 |
Radfahrerverein, 1893 neu gegründet |
vor 1880 |
8 |
Turnverein, 1931 Zusammenschluss mit Fußballklub zum „Turn- und Sportverein Markwerben 1894“ |
1894 |
9 |
Rauchklub |
vor 1911 bis 1914 nachw. |
10 |
Kegelklub „Gemütlichkeit“ |
vor 1921 bis 1925 nachw. |
11 |
Arbeiter-Turnverein |
vor 1921 |
12 |
Arbeiter-Radfahrer-Verein, wahrscheinlich aus dem Radfahrverein hervorgegangen |
vor 1921 |
13 |
Fußballklub, 1931 Zusammenschluss mit Turnverein zum „Turn- und Sportverein Markwerben 1894“, 2012 in den Sportclub Uichteritz/Markwerben Weißenfels e.V. aufgegangen |
1926 bis heute |
14 |
Lehrerverein Markwerben und Umgebung |
vor 1928 bis 1931 nachw. |
15 |
Darlehnskassenverein Ländl. Spar- und Darlehnskasse Markwerben, Storkau und Obschütz |
vor 1928 bis 1937 nachw. |
16 |
Weißenfelser Reitverein e.V., 1934 wird von einem ländlichen Reitverein in Markwerben gesprochen |
1929, seit 1976 in Markwerben bis heute |
17 |
Schießklub „Falke“ |
1928 |
18 |
Faustballmannschaft, als Sektion im Turnverein gegründet |
1930 |
19 |
Handballmannschaft, als Sektion im Turnverein gegründet |
1931 |
20 |
Kaninchenzüchterverein, später Rassekaninchenzuchtverein Markwerben G177 e.V. |
1931 bis heute |
21 |
Feuerwehr, später „Freiwillige Feuerwehr Markwerben“ |
1934 bis heute |
22 |
Vaterländischer Frauenverein vom Roten Kreuz |
vor, oder 1934 bis 1945 |
23 |
Ortsbauernschaft |
vor, oder 1934 bis 1945 |
24 |
Kriegsopfer, Ortsgruppe Markwerben |
vor, oder 1934 bis 1945 |
25 |
Rassegeflügelzuchtverein Markwerben 1949 e.V. |
1949 bis heute |
26 |
Kleinpfingstgesellschaft Markwerben e.V. |
vor 1862 bis heute |
27 |
Jagdgenossenschaft Markwerben (K.d.ö.R.) |
1990 bis heute |
28 |
Heimatfreunde Markwerben, 2012 in den Verein Turmfalken aufgegangen |
1999-2012 |
29 |
Markwerbener Kulturbanausen e.V. |
2000 bis heute |
30 |
Salpetersieder, ab 2009 e.V. |
2006 bis heute |
31 |
Sportgruppe „Wonneproppen“ |
|
32 |
Turmfalken - Markwerben e.V. |
2012 bis heute |
Literatur:
Wolfgang Hardtwig: Strukturmerkmale und Entwicklungstendenzen des Vereinswesens in Deutschland 1789–1848. In: Otto Dann (Hrsg.): Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland. Historische Zeitschrift, Beiheft 9, S. 11–50, hier S. 11.
Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland
Otto Dann, R. Oldenbourg Verlag, 1984